Anlass und Entstehung
Die Sammlung entstand in den Jahren 1936–38 als Geburtstagsgeschenk des Reichsbunds der deutschen Beamten an Adolf Hitler. Initiator der Sammlung war der Reichsbeamtenführer Hermann Neef, die ausführende Leitung und Betreuung der Aufnahmefahrten oblag Dr. Fritz Debus. Für die wissenschaftliche Konzeption zeichnen die Marburger Sprachwissenschaftler Walter Mitzka und Bernhard Martin verantwortlich, unterstützt von den lokalen Parteiorganen und Mitarbeitern der verschiedenen Wörterbuchstellen. Die beteiligten Wissenschaftler nahmen dabei auch an den Erhebungsfahrten teil, wie aus erhaltenen Protokollen der Aufnahmeaktionen hervorgeht.
Zunächst wurden mit einem professionellem Aufnahmewagen der Telefunken 300 Aufnahmen für das gesamte Reichsgebiet angefertigt, die in einem eigens dafür gebauten Schrank am 30. Juni 1937 in der Reichskanzlei an Hitler übergeben wurden. Nach dem Anschluß Österreichs wurden zudem weitere 100 Aufnahmen für Österreich und das Sudetenland angefertigt. Die geplante Übergabe dieser zweiten Aufnahmeserie scheint aber nicht mehr ins Werk gesetzt worden zu sein. Geplant (wohl aber nicht fertiggestellt) wurde zudem ein Textband mit Transkriptionen und Übersetzungen der Aufnahmen. Aufgenommen wurden Dialektsprecher in kleinen Ortschaften, die nach vorbereiteten Manuskripten zu unterschiedlichen Themen Auskunft geben, darunter Handwerksbräuche und Besonderheiten der lokalen Kultur (Feste, Sagen etc.). Daneben finden sich aber auch viele Aufnahmen, in denen ein direkter Bezug zu NS-Themen genommen wird, sei es die „Kampfzeit“ vor der Machtübernahme der Nazis oder die positiven Veränderungen unter der neuen Regierung. Insgesamt ist für die Aufnahmen von einer starken Lenkung von Aufnahmeinhalten und Dialektmerkmalen auszugehen.
Parallel zur Entstehung des Werkes wurde in der deutschen Presse in großem Umfang über das Lautdenkmal berichtet. Besonders die Beamtenpresse wußte die Sammlung als Mittel der Selbstdarstellung zu nutzen, aber auch in Tages- und Wochenzeitungen findet sich eine Vielzahl von Berichten zum Lautdenkmal. Diese umfassen zumeist leicht abgewandelte Versionen der zentral verbreiteten Pressemeldungen, in einzelnen Fällen finden sich aber auch ausführliche Berichte über die lokalen Sprecher.
Überlieferung
Von beiden Aufnahmeserien wurden mehrere Exemplare angefertigt, so dass neben den beteiligten Wissenschaftlern, die jeweils ein Exemplar erhielten, auch jeder Sprecher ein Exemplar „seiner“ Platte bekam. Erhalten sind von diesen Exemplaren mehrere Teilsammlungen in Archiven und Universitäten. Für die 300 reichsdeutschen Aufnahmen existieren am Deutschen Sprachatlas Tonbandkopien von den Muttermatrizen, die die Teldec im Jahre 1960 angefertigt hat, zudem hat das Bundesarchiv im Jahr 2014 dem Sprachatlas ein fast vollständiges Plattenexemplar übergeben. Darüber hinaus sind Teilbestände in privater Hand erhalten, teilweise aber nicht (mehr) zugänglich. Die österreichische Aufnahmeserie ist am Phonogrammarchiv Wien sowie bei der Kommission für Mundartforschung in München überliefert, wobei letzterer Bestand (als einziger) ebenfalls die sudetendeutschen Aufnahmen einschließt.
Neben den Aufnahmen existieren umfangreiche Vorarbeiten für einen geplanten Textband zum Lautdenkmal, der für alle Aufnahmen Übersetzungen und phonetische Transkriptionen (in Alphabetschrift) vorsah, aber vermutlich nicht mehr in Druck gehen konnte. Hier umfasst die Sammlung Probedrucke für ca. 250 reichsdeutsche Aufnahmen, dazu handschriftliche und getippte Manuskripte für die meisten der österreichischen Aufnahmeorte.
Leider scheint ein Großteil der Unterlagen, die sich mit der Entstehung und Dokumentation des Lautdenkmals befassten (Korrespondenz, Aufnahmeprotokolle etc.), gezielt und/oder in Folge von Kriegseinwirkungen vernichtet worden zu sein, so dass neben vereinzelten Briefen nur noch für die österreichischen Aufnahmen Informationen zu Sprechern und Erhebungsfahrten erhalten sind. Ein kürzlich in Marburg aufgefundenes Konvolut von ca. 100 Fotos von den Erhebungsfahrten lässt allerdings darauf hoffen, dass in den Archiven und Kellern der beteiligten Institute noch weitere Unterlagen ihrer Entdeckung harren.
Erhebungsorte
Anhand der überlieferten Übersichten und Aufnahmebestände konnte bereits ein fast vollständiges Ortsnetz für das Lautdenkmal erstellt werden, das alle reichsdeutschen, österreichischen und einige der sudentendeutschen Aufnahmeorte verzeichnet. Im Vergleich zu früheren Rekonstruktionsversuchen konnte dabei für die reichsdeutschen Aufnahmen eine Reihe falscher Ortszuweisungen korrigiert werden; zudem konnten die österreichischen (vollständig) und sudetendeutschen (in Teilen) Orte erstmals ergänzt werden. Das aktuelle Ortsnetz ist als Karte im REDE-SprachGIS einsehbar. Dabei fehlen in der Übersicht einige Ortspunkte, die noch nicht sicher zugeordnet werden konnen: Fehlende Aufnahmen (und Ortsinfo):
- LD60249 (vermutlich westmitteldeutsch)
Nicht auf der Karte:
- LD60278 Widmungsansprache Hermann Neef
Zuordnung (und/oder Ortsname) unklar:
- LD60074 „Glina“ (Aussage des Sprechers der Aufnahme)
- LD60220 „Wittmund-Varel“ (Namensangabe lt. Probedruck)
Bislang nicht eindeutig identifizierbare Orte im Sudetenland (Mehrfachbelege für den Ortsnamen):
- LD60382 Johannesberg
- LD60387 Petersdorf
- LD60389 Heinzendorf
- LD60390 Johnsdorf
- LD60391 Neudorf
- LD60394 Dreshöf (falsche Schreibung?? >> Dreihöf?)